Eine englische Redewendung besagt: „Don’t judge a book by its cover.“ Treffender könnte man „Zwanzigtausend Reiseleiter“ nun wirklich nicht beschreiben. Nichtssagendes Cover, doch vielsagender Buchinhalt. Ehrlich, lieber Markus Barth, hätte nicht Dein Name dort gestanden, und hätte ich somit nicht wußte, dass es eine spritzige Erzählung werden würde – das Cover hätte mich überhaupt nicht angesprochen. Hätte, hätte… ich weiß, ich weiß, und ich habe es ja gelesen.
Begeistert gelesen.
Zu den Fakten:
Titel: Zwanzigtausend Reiseleiter
Autor: Markus Barth
Verlag: Books on Demand
256 Seiten, ISBN-13: 9783748130123
Die Idee war ebenso einfach wie genial: Was muss man in Europa gesehen haben? Frag einfach deine Facebook-Follower. Von Schwarmintelligenz zu Schwarmempfehlungen. Ganz nach dem Motto: Suchst du einen guten Friseur, frag deine Freundin. Nicht, dass wir alle Markus Barths Freundinnen und Freunde sind, aber das Prinzip hat funktioniert. Ich gehörte übrigens auch zu den Tippgebern (Spoiler: Seite 185, Kapitel 17, „Synapsen-Burn-Out“).
Markus Barth schnappte sich also kurzerhand Wohnmobil, Mann und Hund, und die Minikarawane zog los durch Europa, 17.000 Kilometer, immer der Sonne nach, wie er offen zugab (ich verstehe immer noch nicht, warum das grüne Irland fehlte, aber diese Farbe kommt natürlich nicht von ungefähr ;-)).
Nach Süden, nach Osten, nach Westen
(oder: Von Käsespätzle über Gulaschsuppe zu den Austern)
In humorvollen Worten beschreibt Markus Barth die kulinarischen Höhepunkte Europas. Er gibt selbst zu, dass man ihn mit Essen und anderen Köstlichkeiten leicht überzeugen kann, und so ging es eben von deftigen österreichischen Speisen aus immer dem Dufte nach. Nur sein Austernkapitel sollte man ausschließlich in guter geistiger und körperlicher Verfassung lesen…
Ich bin übrigens versucht, den Auszug über die französischen Essgewohnheiten für eine französische Bekannte zu übersetzen – zu köstlich (excusez le Wortspiel svp!)
Der gebannte Leser wird auch an Orte geführt, die man bisher außer Acht gelassen hat. Ich gebe zu, dass Tschechien oder Slovenien bisher nicht auf meiner Liste der Reiseziele gelandet waren, die man besuchen sollte. Ein grober Fehler, wie uns Markus Barth auf seine unnachahmlich wortgewandte Art zu verstehen gibt. Seine Begeisterung springt über, und ich habe tatsächlich schon „Ferienwohnungen in Slovenien“ gegoogelt.
Für Europa!
Doch es werden auch leise Töne angeschlagen. In einer Zeit, in der das „ich und meins“ mehr zu wiegen scheint als das „Es ist genug für alle da“ sinniert Markus – ohne mahnend den Zeigefinger zu heben – über die vielen, bunten Möglichkeiten nach, die ein offenes Europa zu bieten hat. Dabei werden die Probleme nicht verschwiegen, denn es ist wahrlich nicht alles Gold, was glänzt. Trotzdem ist dieser amüsante Reisebericht eine wunderbare Hommage an einen Erdteil, der fürchterliche Unruhen und Kriege in gar nicht allzu weit entfernter Vergangenheit erleben musste und sich zu einem Kontinent der Vielfalt entwickelt hat – wenn man ihn lässt und Vorurteile mit Offenheit und einer großen Prise Humor begegnet.
„Zwangzigtausend Reiseleiter“ lebt von einer feinen, ausgeprägten Beobachtungsgabe und wunderbarer Ironie und noch geschliffenerem Wortwitz. Es macht Lust auf Europa, auf das Essen, die atemberaubenden Landschaften und auf das Abenteuer, Menschen kennenzulernen.
Fazit: Lesen, schmunzeln, nachdenken. Weitererzählen. Es lohnt sich!