Eine weitere kleine Anekdote zum Thema “Danny draußen” 🙂

Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich verschlafen. Ausgerechnet am 29. August, als mein Flugzeug nach Paris um 7 Uhr ab Dortmund abfliegen sollte. Als ich um ca. 5.15 Uhr verschlafen auf meinen Wecker blinzelte, stand ich plötzlich senkrecht im Bett. Mit diversen Flüchen auf den Lippen jagte ich runter ins Bad, um mir eine Handvoll Wasser ins Gesicht zu werfen und eine Ladung Zahnpasta zwischen die Zähne zu quetschen. Meine Oma guckte ebenfalls etwas verschlafen (und erschrocken) aus der Wäsche, als ich hektisch hin- und herrannte, um meine sieben Sachen zusammen zu kramen. Es waren wirklich nur sieben Sachen, die jedoch 15 kg auf die Waage brachten, wie man später am Flughafen festellte. Auf einer Knifte kauend sprang ich ins Auto und düste nach Dortmund – die Langscheder Ruhrbrücke war, natürlich, immer noch Großbaustelle mit einer roten Ampel, die mich um Minuten zurückwarf. Um 6 Uhr erreichte ich den Flughafen keuchend und hechelnd. Parkhaus 2 erschien mir eine geniale Lösung, und ich parkte meinen kleinen Flitzer nah am Terminal 1. Dortmund hat übrigens nur einen Terminal mit 29 Schaltern (Anm.: damals!). Ich checkte ein und präsentierte erstmals meine Miles & More Karte der Lufthansa / Star Alliance. Die Sicherheitskontrolle ging selbstverständlich nicht reibungslos an mir vorbei – die Metallhaken meines BHs waren Grund zur Beunruhigung. Nein, ich musste mich nicht ausziehen, der nette Herr, der mit dem Piepsgerät hantierte, kannte sich aus und wusste, das verräterische Signal zu deuten.

 Das Flugzeug war klein und hatte zwei große Propeller. Das störte mich nicht sonderlich, denn ich setzte mich sogleich an mein Fenster 9A und begann, in meinem Buch “Medusa’s Child” zu schmökern. Es handelte sich dabei um einen Roman über eine thermonukleare Bombe an Bord einer 727, die, wenn sie explodiert, einen elektromagnetischen Impuls, den berüchtigten Medusa-Effekt, erzeugte. Sehr zu empfehlen!

Eine Wespe im Flugzeug sorgte für Panik auf den billigen Plätzen – auf meinem billigenPlatz, da sich die Kreatur unbedingt aus meinem Fenster die wunderschönen Schäfchenwolken angucken musste. Wer weiß, ich auf eine Motte bei Nacht reagiere, weiß auch, wie ich auf eine Wespe in 5.000 Metern Höhe reagiere. Ich sprang auf – neben mir saß keiner – und guckte mich hilfesuchend um. Ein netter Mann bot seinen “Westfälischen Anzeiger” als Mordwaffe, doch der Pazifist in mir konnte die kleine Wespe nicht töten. Der nette Mann hat den Auftrag dann ausgeführt – das er nicht darauf herumgesprungen ist wie Goldie Hawn auf der Kakerlake in “Ein Vogel auf dem Drahtseil” war alles. Sind resistente Biester, diese Wespen.

Wir erreichten den Pariser Flughafen Charles de Gaulle nach nur 90-minütiger Flugzeit. Ich war auf Seite 145 angelangt. Mit meinen sieben Sachen machte ich mich auf den Weg Richtung Ausgang, wo Michele Baillot, meine Gastgeberin, schon mit einem Schild in der Hand auf mich wartete. Übrigens, Europa wird wirklich zum Dorf, denn nicht ein einziges Mal musste ich meinen Ausweis vorzeigen.

 Michele und ich begrüßten uns herzlich und lachend. Nach all den Monaten (zwei) der Vorbereitungen und der zahlreichen Emails (zweihundert?) war das große Wochenende endlich da. Michele wohnt in Senlis, einem Ort ca. 50 km von Paris entfernt. In ihrer geräumigen und total funky Wohnung wurde ich sogleich von Caline empfangen, einer Mischung aus Bobtail und Schäferhund – unheimlich lieb und schmusebedürftig. Caline bellte mich an und legte mir dann freundschaftlich ihre beiden Vorderpfoten auf die Brust. Wir mochten uns auf Anhieb!

Michele und ich machten uns nach einer kurzen Verschnaufpause auf den Weg nach Paris. Die Verständigung klappte meiner Meinung nach hervorragend, doch Michele war sehr schüchtern und meinte, ihr Englisch sei schlecht. Hey, mein nicht vorhandenes Unterhaltungsfranzösisch ist schlecht, aber Michele konnte (für eine Französin) wirklich gut englisch. Autofahren in Paris ist eine Sache für sich. Es gibt keine Regeln, sondern nur die, dass es keine gibt. Straßen, auf denen normalerweise nur zwei Autos nebeneinander fahren dürfen, werden hier zu viert oder fünft besäumt. Jeder versucht, so schnell wie möglich sein Ziel zu erreichen und schlängelt sich dann eben zwischen zwei Autos, wo eigentlich gar kein Platz mehr ist. Im Kreisverkehr, z.B. Place de L’Etoile, wo sich acht Straßen sternenförmig treffen, geht es zu wie am Wühltisch… aber keiner hupt, keiner meckert. Man guckt, man gibt Gas, man bremst und ist schon auf der äußeren Spur, um gleich in die nächste Seitenstraße zu fahren, die eigentlich auch nur für zwei Fahrzeuge ausgelegt ist. Der reine Wahnsinn! Michele erzählte mir, dass sie den “Sternenplatz” im Mai mit zwei Amerikanerinnen befahren hatte – zweimal nacheinander. Beim ersten Mal waren die Amis vor Schreck erstarrt und konnte die Sehenswürdigkeiten (den gigantischen Triumphbogen) gar nicht genießen. Also hat Michele eine Ehrenrunde gedreht.

 Wir besuchten die Conciergerie und die Sainte Chapelle, die zum heutigen Justizgebäude gehören. Michele wurde von den Sicherheitsbeamten aufgefordert, ihre Handtasche zu leeren, weil sich auf den Monitoren ein “verdächtiger” Gegenstand zeigte. Es stellte sich heraus, dass Michele einen kleinen Schraubzieher dabei hatte. Ich war froh und glücklich, dass ich nicht die einzige war, die bei solchen Kontrolle grundsätzlich auffällt. Nach diesem Besuch in die Vergangenheit der französischen Geschichte, ging es sogar noch weiter hinab: Aus einer Laune heraus besuchten wir Le Père Lachaise, einen der ältesten und größten Friedhöfe in Paris. Es war unheimlich und faszinierend – oder vielleicht auch unheimlich faszinierend – und Michele und ich unterhielten uns über Leben nach dem Tod und Gott im allgemeinen. Wir machten einen weiteren Abstecher zum Monmatre und zur Kathedrale Sacre-Coeur, die immer noch wie eine gigantische Torte mit Zuckerguss Paris überragte.

Abends stand ein Besuch beim Thailänder auf dem Programm. Michele hatte in dem Restaurant “Blue Elephant” reservieren lassen. Ein Parkereignis der besonderen Art hatten wir, als Michele einen Parkplatz in eine Einbahnstraße entdeckte – natürlich in der falschen Richtung. Doch das schien einen waschechten Pariser (oops!) nicht zu erschüttern. Michele setzte den Blinker und fuhr unerschrocken rückwärts in die Einbahnstraße, bis sie den Parkplatz erreicht hatte. Ich pfiff unschuldig vor mich hin, sprach über’s Wetter und bemerkte von dem ganzen natürlich nichts.

“Essen wie Gott in Frankreich” – dieses Sprichwort trifft sicherlich zu. “Lecker essen” (im O-Ton Helge Schneider) wäre eine unverschämte Untertreibung. Ein Gaumenerlebnis, das die Sinne “von Sinnen” erscheinen lässt; ein Seufzen, ein Lächeln und eine Karamelsauce, die das Herz zerfließen lässt. Letzteres gehörte zu einem Nachtisch, der aus traumhaft-zerschmelzendem Schokoladenkuchen bestand, in jener Karamelsauce badend wie Cleopatra in Milch und Honig. Natürlich stellten die französischen Speisekarten eine kleine Hürde der Verständigung dar, denn wenn es nach den Wörtern ginge, die am schönsten aussahen, hätte ich mit Sicherheit Austern oder Krabben bestellt. Meine Freunde retteten mich jedoch vor einem solchen Fehltritt. Doch auch im englischen fehlten manchmal die Worte, und so wurde das zarte Kalbfleisch zur “kleinen Kuh”, was einem doch fast den Appetit verdarb. Komisch, nicht? Kalb klingt fast neutral, während man bei einer “kleiner Kuh” auf dem Teller schon mal erschaudert. 

Im Planet Hollywood Paris schwebten wir auf den Spuren von Garett Maggart, dem die französischen Mädels im Mai einen unvergesslichen Tag in Paris beschert hatten. Unser Glück war nicht auszuhalten, als wir sogar an seinem ehemaligen Tisch sitzen konnten. Michele und Sylvette küssten sogleich das abgewetzte Leder. Wie schön, dass wir alle in bisschen bescheuert sind!

 Bei einem Wochenende mit ‘Artgenossen’ durften ein paar fanische Aktivitäten nicht fehlen. Mein Koffer war nicht umsonst 15 Kilo schwer, denn ich hatte jede Menge Fotos und Videos mitgebracht. Wir guckten, wir träumten und lachten. Just the way old friends do. Leider stand das Sandmändchen jedesmal zu früh auf der Matte, so daß ich mich schon früh aus der regen Gesprächsrunde verabschieden mußte. Kurz nach Mitternacht war ich bereits in Morpheus’ Armen.

Der Sonntag kam mit großen Schritten – P.S. am Abend vorher hatte ich zum ersten Mal Couscous gegessen – und die Zeit des Abschiednehmens war da. Sylvette verließ unsere fröhliche Runde bereits nach dem Frühstück, weil sie noch ihren armen verlassenen Mann versorgen musste. Christine hatte jedoch noch etwas Zeit, und wir konnten noch ausgiebig quatschen und lesen. Es war kurz vor 17.oo Uhr, als mich Michele mit ihrem kleinen roten Flitzer zum Flughafen Roisy brachte (Charles de Gaule und Roisy sind ein und derselbe Ort). Wir verabschiedeten uns, als ich den gesicherten Bereich betreten musste. Ein letztes Winken, ein letztes Grinsen und le weekend Parisien war vorbei. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass mir zwischen check-in und Gate meine Bordkarte abhanden gekommen war. Diese verflixte Rötgenmaschine hatte sie auf magische Weise verschluckt – und auch wieder ausgespuckt, aber das ist eine andere, fast ebenso lange Geschichte…