Mit Schrecken habe ich festgestellt, dass meine letzten Buchtipps schon längere Zeit zurückliegen. Fast könnte man sagen, aus 2017. Aber heute haben wir ja erst den 31.12.2017, also sind wir noch in diesem Jahr mit der handschriftlich schwer zu schreibenden Jahreszahl. Wenn Ihr jetzt nicht wisst, was gemeint ist, dann versucht doch mal 2017 schnell zu schreiben. Na? Und jetzt übt schon mal für morgen: 2018 – schwungvoll kommt die 8 daher! Natürlich mache ich ein Jahr nicht an der flüssigen Schreibweise seiner Jahreszahl vom Erfolg abhängig. Ich dachte nur, ich erwähn’s mal.
Kommen wir zum eigentlichen Grund für diesen Beitrag:
Titel: Boy in a White Room
Autor: Karl Olsberg
Verlag: Loewe-Verlag
ISBN: 978-3-7855-8780-5, 288 Seiten
Karl Olsberg promovierte über künstliche Intelligenz (KI) und ist bekannt für seine spannenden Hightech-Thriller. Ich sage nur: „Das System“ (2007)… Halt, hiergeblieten! Nicht gleich weglaufen! Auch wenn diese Begriffe zunächst abschreckend wirken, so sind die Geschichten, die Karl Olsberg ausmalt, stets verständlich und packend erzählt. Gleiches gilt für die Figuren.
„Boy in a White Room“ bildet keine Ausnahme.
Ein paar Sätze zum Inhalt: Der 15-jährige Manuel wacht ohne Erinnerungen in einem weißen Raum auf. Er weiß weder, wer er ist, noch warum er in diesem Raum eingesperrt ist. Nur Alice, eine Sprachsoftware im Stile der Siris und Alexas heutzutage, steht ihm zur Verfügung. Und wer diese Programme kennt, weiß um deren „Beschränktheit“. Es bedarf genauer Anweisungen. Zeige mir, suche, öffne. Manuel gelangt so ins Internet und versucht, seine Umwelt kennenzulernen und die Hintergründe seiner beängstigenden Situation zu ergründen.
Damit soll schon zum Inhalt alles gesagt sein, denn jeder weitere Satz wäre Verrat an einer aufregenden Geschichte, die bis zur letzten Seite fesselt.
Als Krimiliebhaberin hatte ich plötzlich keine Lust mehr auf Mord & Totschlag (keine Sorge, das wird sich wieder ändern) und suchte etwas, um meinen Geist zu unterhalten, ohne jedoch den obligatorischen Serienmörder du jour. Da war ich bei Karl Olsbergs Jugendroman** an der richtigen Stelle. Die Figur des Manuel ist sofort sympathisch und man fiebert mit ihr jeder neuen Erkenntnis über sein Schicksals entgegen. Das Setting – der weiße Raum mit einer Sprachsoftware und Bildschirmwänden ausgestattet – ist unheimlich und bringt eine klaustrophobische Angst mit sich.
Besonders beeindruckt war ich von den sprachgewaltigen Bildern, die beim Lesen vor meinem geistigen Auge auftraten. Eine Tour durch Hamburg, ein Streifzug durch Mittelerde, ein Sprung zu Alice im Wunderland – und wie immer bei Olsberg fügte sich Eins zum Anderen, phantasievoll und phantastisch, modern und visionär. Zusammen mit Manuel erkunden wir diese Welten, sind fasziniert und verstört und hoffen auf ein happy end.
Doch diese Geschichte hat noch mehr zu bieten als bunte Bilder in einem verrückten Setting. Sie stellt geradezu philosophische Fragen zum Sein oder Nichtsein, zu Dichtung und Wahrheit, die den Leser am Ende aufgewühlt und nachdenklich werden lassen.
** Obwohl als Jugendbuch deklariert, kann es auch von Erwachsenen bedenkenlos gelesen werden. Die Thematik ist tiefgreifend und aktueller denn je.